(v.l.) Dr. Eric J. Ballbach, Prof. Dr. Eun-Jeung Lee, Prof. Dr. Michael Staack und Hartmut Koschyk
Der deutsche Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums, Hartmut Koschyk, verfasste gemeinsam mit Prof. Dr. Eun-Jeung Lee, Direktorin des Instituts für Koreastudien der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Michael Staack, Professor für Internationale Beziehungen an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg und Dr. Eric J. Ballbach, Gastwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Koreastudien der Freien Universität Berlin, nachfolgenden Gastkommentar für die Zeitung "Die Welt"
Die „diplomatische Revolution“ auf der koreanischen Halbinsel im Jahr 2018, illustriert etwa durch Bilder der beiden koreanischen Führer, die Hand in Hand die Demarkationslinie überschreiten, erscheinen heute wie eine ferne Erinnerung. Einmal mehr wurde die internationale Gemeinschaft daran erinnert, dass Frieden in Korea nicht von heute auf morgen erreicht werden wird.
Der 70. Jahrestag des Koreakrieges am 25. Juni hat jedoch ebenso verdeutlicht, wie dringlich die Schaffung eines echten Friedens in Korea ist. Die Tatsache, dass der Koreakrieg nie formell beendet wurde, ist keine reine Formsache, sondern eine der Ursachen, die seit 1950 den Antagonismus zwischen den involvierten Staaten befeuern. Gleichwohl erscheint der Aufruf zum Friedensschluss mit Nordkorea insbesondere in den USA mehr als ein radikales Konzept denn eine realisierbare politische Option.Leider wird diese Ansicht offensichtlich auch in weiten Teilen der deutschen politischen und Medienlandschaft geteilt. So argumentierte jüngst etwa Torsten Krauel, Chefkommentator der Welt, in einem Beitrag, dass „Frieden mit Kim (…) eigentlich unmöglich [ist]“.Auf der anderen Seite stimmen viele Analysten darin überein, dass sieben Jahrzehnte US-Politik zur Eindämmung des Nordens der Region keine nennenswerte Sicherheit gebracht haben. Schlimmer noch, die kumulative Wirkung von Sanktionen und politischer Isolation hat beiden Seiten immer geringere Aussichten auf Versöhnung beschert. So wurde die unnormale Situation auf der koreanischen Halbinsel quasi normalisiert und die Aufrechterhaltung des Status quo immer wieder mit der Wahrung des Friedens gleichgesetzt.Doch dies ist alles andere als zutreffend, denn der angebliche friedliche Status quo trennt Abertausende koreanischer Familien, fördert eine zunehmende Militarisierung in der Region, und die bestehenden Sanktionen vergrößern das humanitäre Leiden weiter Teile der nordkoreanischen Bevölkerung.Frieden mit Nordkorea, so scheint es, wird als Fantasterei abgetan und fälschlicherweise mit der Legitimierung des Nuklearstatus und der desolaten Menschenrechtssituation Nordkoreas gleichgesetzt. So wird beispielsweise auch Moon Jae-in, unter dessen Präsidentschaft sich Südkoreas Verteidigungsausgaben dramatisch erhöhten, immer wieder als Träumer und Fantast bezeichnet. Dabei ist ein solcher Ansatz letztlich alternativlos, wenn unser politisches Ziel letztlich die Etablierung eines Friedensregimes auf der koreanischen Halbinsel ist.Das bedeutet nicht, dass dies einfach ist. Ganz im Gegenteil: Frieden ist niemals einfach, sondern erfordert immer einen langen Atem und den notwendigen politischen Willen. Frieden mit Nordkorea zu schließen ist nicht einfach der Endpunkt, sondern ein Prozess, bei dem die Lösung gegenwärtiger Krisen von einer Geschichte ungelöster Konflikte und Traumata geprägt ist. Dies gilt insbesondere auf der koreanischen Halbinsel, wo die Etablierung eines echten Friedens untrennbar verbunden ist mit der Herausforderung der Denuklearisierung Nordkoreas, dem sukzessiven Abbau von Spannungen und dem schwierigen, aber notwendigen Aufbau von Vertrauen sowie der Neujustierung einer fest institutionalisierten und auf Antagonismus basierenden Sicherheitsarchitektur. Frieden in Korea zu schaffen erfordert letztlich, alle diese Herausforderungen parallel anzugehen, Schritt für Schritt.In der Praxis bedeutet dies, gegenüber Nordkorea ein klares Signal zu senden, dass es die internationale Gemeinschaft ernst meint, den Friedens-gefährdenden Status quo tatsächlich transformieren zu wollen. Auch in den jüngsten Verhandlungsrunden 2018/2019 war dies leider nicht der Fall. Als Südkorea den USA 2018 etwa vorschlug, eine (politisch unverbindliche) Friedenserklärung mit Nordkorea zu unterzeichnen, um die Atomverhandlungen voranzubringen, lehnte Washington das nordkoreanische Angebot ab, seine Atomanlagen in Yongbyon dauerhaft zu schließen. Kritiker monierten, dass die Formel „Friedenserklärung gegen Yongbyon“ ein zu hohes Zugeständnis darstellen würde.Rückblickend betrachtet wurde hier einmal mehr eine vielversprechende Chance verpasst, die Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea voranzubringen. Wenn sogar symbolische Friedensgesten als zu weitgehend zurückgewiesen werden, dann ist dauerhafter Frieden in der Tat jedoch äußerst schwierig zu erreichen. Dabei haben gerade die Erfahrungen der innereuropäischen Aussöhnung gezeigt, wie wichtig auch solche symbolischen Gesten für die Schaffung von Frieden sind.Für Europa und insbesondere für Deutschland leitet sich aus dieser historischen Verantwortung auch ein Gestaltungsauftrag ab. Auch vor diesem Hintergrund forderte Moon Jae-in bei seinem jüngsten Gespräch mit der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen die EU erneut dazu auf, dem Friedensprozess in Korea größere Aufmerksamkeit zu widmen. Der Ankündigung von der Leyens für eine „robuste Unterstützung und Solidarität der EU“ müssen nun Taten folgen. Denn angesichts der vielen globalen Herausforderungen und Brandherde können wir es uns schlichtweg nicht leisten, den Koreakonflikt länger unbeachtet schwelen zu lassen.In Südkorea blickt man stets auf die Erfolgsgeschichte der deutschen und europäischen Ost- und Entspannungspolitik. Gerade deshalb sollte Deutschland, das am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, mehr Mut zeigen, seiner eigenen historischen Verantwortung in der Koreafrage gerecht werden und den Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel nicht nur rhetorisch, sondern politisch zu unterstützen.Zum Gastkommentar auf der Internetseite der Welt-Zeitung gelangen Sie hier.