Am Dienstag sind wir im Rahmen des 10. Deutsch-Koreanischem Juniorforum zur Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde gegangen und hatten anschließend ein Gespräch mit einem Zeitzeugen.
Wir hatten zwar schon vorher einiges über die Berliner Mauer, die SED Diktatur und Flucht in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt gelernt, jedoch ist mir dieser Tag ganz besonders in Erinnerung geblieben. Die Frau, die uns rumführte, wusste nicht nur viel über die Geschichte und das Museum an sich, sondern konnte dieses Fachwissen auch sehr spannend wiedergeben und unsere Fragen gut beantworten. Besonders im Kopf geblieben ist mir dabei die große Anzahl an Menschen, die von Ostdeutschland nach Westdeutschland geflohen sind und dabei große Schwierigkeiten auf sich nehmen mussten, nicht nur während der Flucht, sondern auch nacher in dem anderen Teil Deutschlands. Desweiteren fand ich es sehr erschreckend, wie viele Rückentführungen es in den Osten gab – ein Fakt, über den uns schon die Zeitzeugin in der Gedänkstätte Hohenschönhausen erzählt hatte.
Mein persönliches Highlight von der Gedänkstätte war jedoch das Gespräch mit dem Zeitzeugen. Dieser war damals schon vor dem Mauerbau 1961 von Ost nach Westberlin geflüchtet – alleine und ohne seine Familie. Eine Uneinigkeit mit der Meinung des Regimes die er frei und ohne böses zu wollen an seiner Universität äußerte, kostete ihm im Endeffekt sein Studium. Weil er keine Perspektiven mehr sah, entschied er sich, zu gehen. Schwer fiel ihm dieser Entschluss besonders, als er seiner Mutter von dem Plan erzählte. Nachdem er sich Rat von ihr einholen wollte meinte sie, dass die Entscheidung ganz und allein seine war und er somit bei der Entscheidungsfindung quasi ganz alleine dort stand. Nach der Flucht konnte er jedoch seine Freundin rüberholen und heiraten und seine Brüder hatte er auch nach einiger Zeit wieder in der DDR besuchen können. Nach dem Mauerfall kam es öfter mal zu Situation, in denen er merkte, dass seine Sicht auf die Dinge und auch die Zeit damals, anders waren als die von ihnen, denn er hatte schließlich im Westen gelebt, während sie im Osten blieben.
Dadurch, dass der Zeitzeuge in einer Diktatur aufwuchs und in eine Demokratie überlief, hatte er uns sehr viel über Freiheit und Demokratie zu erzählen. Besonders schön fand ich, als er über den Moment redete, in dem er sich das erste mal richtig frei fühlte. Dies war nicht, wie etwa angenommen, der Fakt dass er seine Meinung freier äußern konnte, oder ähnliches. Der Moment, an dem ihm westdeutsches Geld gegeben wurde mit dem Hinweis, dass es für alle Länder gelte, brachte ihn dazu zu realisieren, dass er nun in Freiheit lebte.
Besonders während des zurzeit andauernden russischen Krieges in der Ukrainie, aber auch schon durch die Corona Pandemie, bilden sich viele Meinungen, die man nicht vertritt. Eine unserer Teilnehmerin, eine Ukrainerin, wollte deswegen wissen, wie man Menschen mit einer anderen Meinung von etwas überzeugen könne. Unser Zeitzeuge antwortete darauf hin, dass man nur ein richtiger Demokrat sei, wenn man jede Meinung zulasse und tolerant damit umgehe. Das hieße jedoch nicht, dass man jede Meinung einfach so hinnehmen solle. Menschen mit einer anderen Meinung sollte man immer fragen, wie sie zu so ihrem Urteil kämen und dementsprechend demokratisch dagegen ankämpfen. Er hatte in der DDR auch immer das Glück gehabt, den Spiegel lesen zu dürfen, um sich mit einem auch sehr kritischen Blick auf den Westen vorzubereiten und sich mehrere Meinungen einholen zu können. Deswegen betonte er nochmal wie wichtig es sei, immer kritisch zu bleiben.
Ich habe nicht nur durch die Führung im Museum sondern auch durch unser Zeitzeugen Gespräch viel über die Teilung Deutschlands und Berlins lernen können. Im Nachhinein habe ich mich noch mit den anderen Teilnehmer*innen darüber ausgetauscht, wie toll unser Zeitzeuge erzählen konnte, fast schon, wie in einem Höhrbuch. Ich hoffe aufjedenfall, dass noch viele andere junge Deutsche und auch Ausländer seine Geschichte hören können, denn ich denke, dass sie jeden inspirieren wird.