Von Alexander Ji-San Lenz, Teilnehmer des 8. Deutsch-Koreanischen JuniorforumsIn der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur angekommen, führten der Vorsitzende der Bundesstiftung Rainer Eppelmann, der nach den ersten freien Wahlen in der DDR vom 18. März 1990 Minister für Abrüstung und Verteidigung war, und Markus Meckel, Außenminister der letzten DDR-Regierung, ein Gespräch mit den Teilnehmern des Deutsch-Koreanischen Juniorforums. Die Mission der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ist es, die Erinnerung an die deutsche SED-Diktatur nicht zu vergessen und das Schicksal der Menschen mit Fluchterfahrungen in der Bundesstiftung eine Plattform zu bieten.Geschichtlich beginnend von den Arbeiterstreiks des 17. Juni 1953 in der DDR, über den darauffolgenden Mauerbau von 1961 und bis hin zum Fall der Berliner Mauer seien es schätzungsweise bis zu vier Millionen Menschen gewesen, die aus der DDR in den Westen geflüchtet sind. Mehrere hunderte seien auf der Flucht erschossen worden, sind in den Flüssen und der Ostsee ertrunken oder wurden für viele Jahre gefangen genommen. Durch das westdeutsche Fernsehen erlebten die Menschen in der DDR, dass die Behauptungen der SED-Propaganda inhaltlich falsche Aussagen gegenüber dem Westen bzw. der Bundesrepublik Deutschland trafen. Menschen aus dem Osten kannten durch westdeutsches Fernsehen die Politiker im Westen teilweise besser, als ihre Politiker im eigenen Land. Westlicher Wohlstand und bessere Chancen waren einige der Gründe der großen Unzufriedenheit im Osten. Auch die Raketenaufrüstung an den Grenzen wurde mit großer Besorgnis im Osten aufgenommen, so Rainer Eppelmann.
Die evangelische Kirche soll eine Zuflucht vor dieser Angst geboten haben und in ihr bildete sich die Kritik zur SED-Diktatur. Nicht nur Christen sondern auch andere bürgerliche Interessensgruppen formierten sich so mit Hilfe die Kirche und trugen den Protest hinaus auf die Straße. Aufgrund der immensen Mehrzahl der untereinander solidarischen Demonstranten war die herkömmliche Eindämmung durch Strafen des SED-Regimes nicht mehr möglich. Somit begann sukzessive das Ende der Diktatur. Das Volk habe sich selbst befreit, jede Intervention von Außen mit militärischer Macht hätte fatale Folgen haben können, so Rainer Eppelmann. Es kam aber nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen und so wurde dies zu jener friedlichen Revolution der DDR, wie sie die Welt nie zuvor gesehen hatte.Mit Willy Brandts Aussage, dass zusammenwachse was zusammengehöre, sprach er das vorliegende Einheitsgefühl der Deutschen an. Rainer Eppelmann verdeutlichte, wie starke Solidarität durch starke Empathie die damalige Gesellschaft ermutigte sich gegenseitig für andere einzusetzen und stellte an die koreanischen Teilnehmer des Forums die Frage: „Wie schätzen sie das ein? Ist es realistisch, dass es in Korea zu so etwas kommt?“ (…) „Wenn es wirklich eine Demokratie sein soll, dann hat jeder die gleiche Stimme sich für den gesellschaftlichen Wandel einzusetzen. Aber wie ist es eigentlich ein gesellschaftliches Haus bauen zu wollen, in dem man miteinander lebt, ohne den anderen wirklich zu kennen.“ Die beschränkten Informationen, die man vom anderen hat, bieten kein Raum für konkrete Vorstellungen. Wir können uns derzeit noch nicht vorstellen, wie ein solches Haus auszusehen hat. „Erst wenn wir die Anderen verstehen, können wir ein solches Haus bauen. Die größte Mauer existiert in den Köpfen aufgrund von fehlenden Informationen.“ In der koreanischen Situation ist sowas wie Westfernsehen aus Südkorea nur schwer umsetzbar und die Situation in Nordkorea ist eine andere, als sie es in der DDR je gewesen ist. Es gibt kaum solche Freiräume in Nordkorea, wie sie es in der DDR gab, um ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse entwickeln zu können.
Abschließende Worte von Rainer Eppelmann: „Trainieren sie ihr Herz, ihren Kopf und ihre Hände zu Ihren und dem gesellschaftlichen Wohl. Versuchen Sie, so glücklich und zufrieden zu werden und auch ihrem nächsten ebenfalls es so zu ermöglichen, damit es auch denen gut geht. Ein Leben in Demokratie zu führen und das so attraktiv wie möglich, dass es auch andere so leben wollen würden. Keiner wusste zuvor wie es zur deutschen Wiedervereinigung kommen wird und keiner weiß, wann die Zeit reif sein wird, dass die Wiedervereinigung in Korea passiert. Hoffnung, dass man abwartet bis der Baum endlich reife Früchte trägt, kann eine lange Durststrecke von zehn, zwanzig Jahren oder länger sein. Keine unreifen Früchte essen, aber alles zulassen, damit der Baum reifen kann. Du musst ihn fleißig gießen und pflegen und trotzdem hoffen, dass andere Leute die Sonne scheinen lassen. Es braucht seine Zeit bis der Baum wächst und reife Früchte trägt und selbst wenn du es nicht miterleben solltest, sondern erst die nachfolgenden Generationen, so kann man doch am deutschen Modell sehen: Seit 30 Jahren kann man reichlich Früchte ernten.“